Der nächste Morgen brach an. Ich machte mir eine ordentliche Kanne Kaffee und genoss die frühen Stunden. Zeit, das gestern Erlebte noch einmal gedanklich einzuordnen.
Die Fahrt bis Hooksiel war wegen fehlendem Wind relativ unspektakulär. Das Anlaufen des Hafens stellt aber schon gewisse Ansprüche an das Auge des Skippers. Vor der Hafeneinfahrt liegt die grüne Tonne H3. Diese muss nahebei passiert werden. Und dann sollte man sich an den Peilmarken in der Hafeneinfahrt orientieren. Diese werden aber gerne mal von einem davor liegenden Fischkutter verdeckt, quasi unsichtbar gemacht. Also muss man sich andere Landmarken suchen. Denn der Tidenstrom versetzt das Boot bei der Anfahrt zum Hafen schon ganz ordentlich, so dass man großzügig vorhalten muss, um nicht im Schlick zu landen. Das ließ sich aber ganz gut meistern.
Die zweite Herausforderung nach der Schleuse war dann der für mich noch unbekannte Dalbensteg. In Mollys Heimathafen, der Marina Cramer, liege ich an einem Fingersteg. Das Festmachen dort läuft inzwischen schon ganz gut. Bei einer Box mit Dalben gibt es halt ein paar für mich neue Dinge zu beachten.
In der Vorbereitung auf diesen Törn habe ich mir von Guido Dwersteg das Video „Einhand- und Manöver-Tipps mit Guido Dwersteg“ angesehen. Darin zeigt Guido sehr anschaulich, wie die wichtigsten Manöver im Hafen, aber auch draußen, einhand bewältigt werden können. Da war es mir auch die paar Penunsen wert, den kompletten Film von segelfilme.de herunter zu laden. Es lohnt sich in meinen Augen.
Wenn dann allerdings der Moment des Anlegens da ist, ist eben doch alles irgendwie anders. Da war es gut, dass kurz vor mir genau auf der Gegenseite meiner freien Box ein anders Boot festgemacht hatte, und der Skipper sofort Zeichen gab, dass er mir helfen wollte. Ich hatte mir schon in der Schleuse alle Leinen bereitgelegt, und war somit gut vorbereitet. Langsam drehte ich den Bug von Molly in die freie Box und warf dann zunächst die luvseitige Achterleine über den Dalben. Dann konnte ich bei vorwärts eingekuppeltem Motor Molly punktgenau bis vor den Steg in die Box einfahren lassen, wobei ich die Achterleine kontrolliert fierte. Der freundliche Skipper am Steg konnte dann die bereitgelegten Bugleinen vom Bugkorb nehmen und das Boot am Steg festmachen. Nun hatte ich allerdings im Eifer des Gefechts noch keine Heckleine über denn Lee-Dalben gelegt. Das galt es nun nachzuholen. Aber schon der erste Wurf passte. Man muss halt auch mal Glück haben. Molly war fest.
Pfingstsonntag stand dann ganz im Zeichen des „Landgangs“. In Hooksiel waren Heringstage, ein Fest, das sich über den historischen Hafen und die Geschäftsstraßen des kleinen Hafenortes erstreckte. Leider waren die Fischbrötchen dort alles andere als erstklassig. Ein Matjes, lieblos mit ein paar Zwiebelringen aber ohne Salat zwischen zwei Milchbrötchenhälften eingeklemmt, haute uns nicht vom Hocker. Da gingen wir lieber zum nächsten Italiener und ließen uns einen riesigen Eisbecher schmecken.
Dann ging es über einen kurzen nochmaligen Abstecher zum Alten Hafen wieder zurück zu unseren Booten. Am nächsten Morgen mussten wir wieder zeitig aufstehen, da wir die erste Schleusung um 9 Uhr erwischen mussten. Andernfalls wäre die Moby Dick mit ihren 1,60 Meter Tiefgang bei fallendem Wasser nicht mehr durch die Schleuse durchgekommen. Aber es funktionierte perfekt. Wir legten alle gemeinsam ab und fuhren dann in Richtung Schleuse. Bei solchen Fahrten vermisse ich oft einen Autopiloten, der es mir ermöglichen würde, eine gewisse Strecke das Steuer alleine zu lassen, um z. B. Festmacher vorzubereiten oder Segel klar zu machen. Aber das ist eines meiner nächsten Projekte.
Um 9.15 Uhr verließen wir die Schleuse und motorten aus dem Hafen. Wie beim Einlaufen war auch heute die Tonne H3 unser erster Anlaufpunkt. Danach fuhren wir weiter, an der Ölbrücke vorbei, quer über das Jade-Fahrwasser und dann gegen den Ebbstrom bis zur Einfahrt zur Kaiserbalje. Denn dort wollten wir ankern und das Kippen der Tiede abwarten. Alle, außer der Gitano, erledigten diese Fahrt unter Motor. Wir erreichten die Kaiserbalje um 10.45 Uhr und ließen unsere Anker in ausreichendem Abstand zueinander fallen. Auch dieses Manöver war für mich eine Premiere. Den Anker hatte ich noch am Vorabend an die Kette geschäkelt und an der Ankerrolle am Bug befestigt.
Ich spürte, wie der Anker in die Tiefe zog. Als der Anker am Grund angekommen war, ließ ich noch reichlich Leine und befestigte sie dann an der dafür vorgesehenen Klampe am Bug. Nun wartete ich noch eine Zeitlang und beobachtete Landmarken um festzustellen, ob der Anker hält. Als ich mir dessen sicher war, stoppte ich den Motor und eine wunderbare Stille breitete sich aus. Auch die anderen beiden Boote, Moby Dick und Sky, waren inzwischen fest vor Anker und hatten die Maschinen gestoppt.
Nun war Zeit. Zeit, den Ankerball zu hissen, Wind zu messen, Logbuch zu schreiben, etwas zu trinken, etwas zu essen, faul im Cockpit zu sitzen und die Umgebung zu beobachten. Dann kam auch die Gitano am Ankerplatz an. Gerd barg die Segel und fuhr sein Ankermanöver ebenfalls unter Motor. Jetzt fehlte ein Dingi, mit dem man die anderen Ankerlieger hätte besuchen können. Hinüberschwimmen war wegen des Tidenstroms zu gefährlich. Also blieb jeder dort, wo er war.
Bald merkten wir, wie die Boote sich scheinbar gegeneinander verschoben. Die Tiede begann zu kippen. Da wir alle nur einen Anker ausgebracht hatten, mussten wir nun aufpassen, ob er sich in der neuen Stromrichtung auch wieder ordentlich eingrub. Bei mir klappte das nicht ganz so gut, so dass ich der Gitano gefährlich nahekam. Also startete ich den Motor, holte den Anker teilweise ein und verholte Molly an eine etwas entferntere Stelle, wo ich den Anker erneut fallen ließ.
Bald danach war für uns die Zeit des Aufbruchs gekommen. Alle gingen wir Anker auf und hissten die Segel. Es begann der schöne Teil des Tages. Bei durchweg 4 bis 5 Windstärken hatten wir richtig Spaß. Wobei wir natürlich in Richtung Wilhelmshaven segelten. Dabei mussten wir wiederholt kreuzen, da der Wind uns bei SSO auf der Nase stand. Aber das schult, und die Wenden liefen mit jedem Mal besser.
Bald gesellte sich dann auch die Solveig, eine Ketsch, die ebenfalls in der Marina Cramer in WHV liegt, zu uns. Es wurden gegenseitig Fotos gemacht und hinterher ausgetauscht. Als dann der Schleusentermin näher kam, barg ich die Segel und lief unter Motor in den Vorhafen ein. Dort drehten schon einige Boote ihre Warterunden, bis die Schleusenkammer geöffnet wurde.
Der Rest war nun schon Routine: Festmachen, den anderen Booten helfen, den Schleusengang abwarten, losmachen und gemeinsam in Richtung Kaiser-Wilhelm-Brücke fahren, die pünktlich öffnete. Auch das Festmachen am heimatlichen Finger verlief dank der Hilfe meiner Nachbarlieger ohne Probleme.
Ein wirklich schönes und für mich spannendes Pfingstwochenende ging zu Ende. Was mir blieb, war Molly ordentlich fest zu machen, meine Sachen wieder von Bord ins Auto zu bringen und schließlich ohne Stau (!) nach Hause zu fahren.
Auf Wiedersehen, bis zum „Wochenende an der Jade“.
Das Aufstehen am nächsten Morgen wurde durch die Öffnungszeit der KW-Brücke bestimmt. Sie öffnet um 8.30 Uhr. Daran gekoppelt, 15 Minuten später, öffnet die Seeschleuse. Oder besser: … sollte sie öffnen. Nicht so dieses Mal. Aber der Reihe nach. Um kurz nach acht Uhr starteten wir unsere Motoren, um sie warm laufen zu lassen. Um viertel nach Acht hieß es dann „Leinen los“.
Die Sonne schien ohne Wolken über der Jade. Die Windverhältnisse waren jedoch bescheiden. 2 bis 3 Windstärken im Maximum konnten uns nicht wirklich begeistern. Christian, der das erste Mal mit seiner komplett überholten Moby Dick unter Segel fahren wollte, versuchte es am längsten, ohne Motor Strecke zu machen. Schließlich, als die Tiede gekippt war, und die Flut uns entgegenkam, schmiss auch er den Jockel an und wir mussten den Hebel auf den Tisch legen, um die anderen beiden Boote, Gerd mit seiner Gitano und Uwe mit dem Motorboot Sky, einzuholen. Gerd war fast von Beginn an unter Motor vorausgefahren.
Christian hingegen, mit seiner Moby Dick, hatte etwas mehr Action. Beim Versuch, das hinter ihm liegende Schiff, die Cape diem gemeinsam mit dessen Skipperin vor dem Auflaufen zu hindern, brachten sich beide in die Gefahr, zusammen in der Schleusenkammer schwimmen zu gehen. Sie verhakte sich dabei mit einem Fuß unter einem Kreuzpoller, übte beim Versuch, nicht ins Wasser zu fallen, immer mehr Druck auf Christian aus, der sich dann schließlich einen dicken Holzsplitter in den Fuß rammte. Den bemerkte er zunächst gar nicht, später zog er ihn aber mit einer Pinzette – manche Augenzeugen sprachen auch von einer Rohrzange – selber heraus. Da die beteiligte Seglerin mit ihrem Schiff ebenfalls genau an unserem Gastlieger-Steg fest machte, entwickelte sich daraus ein Running Gag, bei der die Behandlung der Wunde mittels „Einlauf“ das ganze Wochenende immer wieder in neuen Facetten diskutiert wurde.
Das Wetter spielte mit, es war zwar zunächst nicht warm, aber durchweg trocken, so dass der Rumpf auch bald abgetrocknet war. Nun begann ich mit der eigentlichen Politur, wie vorgeschrieben, von Grob nach Fein. Zuerst kam also das D30-Pad auf die Maschine und es ging langsam aber stetig vom Bug zum Heck. Vor dem Wechsel auf das nächstfeinere Pad muss der behandelte Rumpf einmal mit einem trockenen Mikrofasertuch von losem Staub befreit werden. Da dies nicht so anstrengend ist, wie die Arbeit mit der Poliermaschine, machte ich dies immer im Wechsel. Eine Seite Polieren, dann reinigen, dann die nächste Seite Polieren, und so weiter.
Diese wechselseitige Bearbeitung funktionierte perfekt. Ich konnte ohne Pause durcharbeiten. Da die Poliermaschine aber mit 2,6 kg auf Dauer nicht gerade leicht ist, wurden irgendwann die Arme schwer und kurze Pausen mussten dann doch sein. So brauchte ich schließlich für den gesamten Vorgang, vier Durchgänge mit vier unterschiedlichen Pads, sowie der abschließenden Versiegelung mit Polymer Sealant von Peter Wrede gut drei ganze Tage.
Dabei konnte ich nach jedem trockenen Reinigen des Rumpfes mit dem Mikrofasertuch deutliche Fortschritte in der Verbesserung der Oberfläche erkennen. Der Rumpf fühlte sich nach dem letzten Durchgang mit dem D3-Pad extrem glatt an. Die durch die Verwitterungen vorher zu fühlenden rauen Unebenheiten waren komplett verschwunden. Allerdings blieben gerade in der Nähe des Wasserpasses bei genauerem Hinsehen noch sichtbare Vergilbungen, doch die waren im Vergleich zu vorher deutlich abgemildert und ich persönlich kann damit leben, im kommenden Herbst, wenn Molly wieder aus dem Wasser kommt, hier noch einmal Hand und Polierpad anzulegen.
Nun wird manch einer sagen: „Was für ein Aufwand! Mit herkömmlicher Politur gehe ich einmal herum, wachse anschließend und lege mich dann in die Sonne.“ Und zunächst einmal muss ich ihm Recht geben. Der schnell sichtbare Erfolg gehört der herkömmlichen Politur. Es gibt jedoch ein „aber“:
Ein weiterer, nicht zu verachtender Vorteil ist die Möglichkeit der Verarbeitung bei Frost oder auch direkter Sonnenbestrahlung der zu polieren Fläche, was bei Politurpasten die Gefahr des Einbrennens erzeugt. Nicht akkurat entfernte Politurreste setzen sich auf der Oberfläche fest und fördern das erneute Vergilben. Diese Gefahr soll bei der Diamantpolitur nahezu wegfallen. Bestenfalls muss der Rumpf während der Saison ein oder zweimal gewaschen, und im Herbst und im folgenden Frühjahr nur erneut versiegelt werden. Dieses selber zu beurteilen ist mir natürlich derzeit noch nicht möglich, hier muss ich meine eigenen Erfahrungen in den nächsten Monaten machen. Bis dahin ist Molly nun wieder in ihrem Element und glänzt mit den anderen Booten um die Wette.


