Das letzte Wochenende meines Urlaubs ist da. Erstaunlich gut kam ich über die Autobahn nach Wilhelmshaven zur Molly. Gerd, der Eigner der Gitano war bereits dort und arbeitete an seinem Boot. Nachdem ich meine Sachen an Bord von Molly gebracht hatte, schmissen wir erst einmal den Grill an und ließen es uns gut gehen. Der Wetterbericht für den nächsten Tag war vielversprechend. Es sollte DER Tag werden. Wir legten uns fest, abzulegen.
Der nächste Morgen brach an. Zeitig sprang ich aus der Koje. Mein erster Blick ging aus dem Hauptschott hinaus. Klare Sicht! Kein Nebel! Kein Regen! Aber dicke, tiefe Wolken. Egal, heute sollte die erste Ausfahrt mit Molly stattfinden. Das Frühstück war Nebensache. Im UKW-Funk brachte Jade-Traffic den Lagebericht. Auch hier wurde kein Grund genannt, das Vorhaben abzublasen. Ich bereitete Molly auf das Ablegen vor. Um 8:30 Uhr waren wir mit dem Brückenwärter der Kaiser-Wilhelm-Brücke verabredet. Ich war noch nicht ganz fertig, da kreuzte Gerd mit seiner Gitano an meinem Liegeplatz auf. Mein Motor war ebenfalls warm gelaufen und so trennte ich den Landstrom, warf die Leinen los und legte rückwärts vom Fingersteg ab.
Wir tuckerten gemeinsam in Richtung KW-Brücke und drehten davor ein paar Warteschleifen, bis der Brückenwärter zur vereinbarten Zeit die Brücke für uns zur Seite schwenkte. Dann konnten wir die Brücke passieren. Der Brückenwärter rief uns noch zu, dass die letzte Einwärtsschleusung heute um 15.30 Uhr wäre. Damit stand fest, wie lang unsere Ausfahrt werden würde.
Die Fahrt ging weiter durch den Binnenhafen bis hin zur großen Seeschleuse, durch die wir schließlich in den neuen Vorhafen und dann endlich hinaus auf die Jade gelangen sollten. Doch zunächst hieß es warten. Ein Anruf beim Schleusenmeister bestätigte uns, dass zunächst einwärts geschleust werden sollte. Und so drehten wir weiter Warteschleifen vor dem großen Schleusentor, bis es schließlich langsam begann, sich zu öffnen.
Als das Einfahrsignal um punkt 9 Uhr auf „grün“ sprang, fuhren wir in die Schleuse ein und machten darin die Boote fest. Die Schleusenzeit nutzten wir für eine kurze Unterhaltung und zum Klarmachen der Segel für das Auslaufen. Erstaunlich schnell wurde das äußere Schleusentor geöffnet und wir mussten uns mit unseren Vorbereitungen sputen. Rasch schmissen wir den Motor an und verließen die Schleusenkammer. Der Vorhafen war leer, so dass wir genug Platz hatten, die Segel zu hissen und Kurs auf die Hafenausfahrt zu nehmen. Der Motor lief im Standgas mit, um notfalls schnell reagieren zu können, falls doch noch ein großer Pott in den Hafen einlaufen sollte.
Nach Passieren der Hafenausfahrt, stoppten wir die Motoren und nahmen Kurs auf die Tonne 52 auf der gegenüber liegenden Seite des Fahrwassers, und dort legten wir nördlichen Kurs entlang des Tonnenstrichs an. Molly segelte zunächst mit 4 bis 5 Knoten über Grund. Und das, obwohl ich nur als Vorsegel die Fock angeschlagen hatte. Später, als der Tidenstrom uns mit sich nahm, waren auch mal 8 Knoten drin. Im nächsten Jahr kommt die Genua ans Vorstag. Da geht noch was, ich bin mir sicher.
Ein unbeschreibliches Glücksgefühl kam in mir auf. Das war genau das, wovon ich so lange geträumt hatte. Eine angenehme Stille, nur unterbrochen durch Wind- und Wellengeräuschen umhüllte mich auf meinem Boot. Ich saugte diese Stimmung förmlich in mich auf. Dies war die erste Fahrt auf eigenem Schiff! Fantastisch!!!
Nach einiger Zeit schaute ich zurück zur Gitano von Gerd. Sie war deutlich zurück gefallen. Ich entschloss mich zu wenden und Gerd entgegen zu fahren. Wir hatten vorher verabredet, uns gegenseitig zu fotografieren. Denn wer kann schon – ohne Drohne – Fotos vom eigenen Schiff machen, während man darauf segelt? Ich zückte also mein Handy und machte ein paar Aufnahmen von Gitano, während ich an ihr vorbei segelte. Gerd machte ebenfalls einige Aufnahmen von meinem Schiff. Dieses Spiel wiederholte sich nun öfters, während wir in nördlicher Richtung außerhalb des Fahrwassers die Jade seewärts fuhren.
Der Kurs führte uns entlang der Tankerbrücken des Ölhafens, der langen Kaimauer des Jade-Weser-Ports, Hooksiel, Horumersiel und Schillig bis zur Tonne 26, die bereits in der Nähe der relativ jungen Insel Minsener Oog liegt. Ein Blick auf die Uhr sagte uns, dass wir dringend umdrehen mussten, um rechtzeitig zum Schleusen wieder in Wilhelmshaven zu sein. Bei genauer Rechnung stellte sich sogar heraus, dass wir ohne Motor nicht pünktlich sein würden, da die Tide erst in zwei Stunden kippt und wir diese Zeit gegen den Strom segeln müssen.
Also Motor an und anschieben bis zu einer Geschwindigkeit von 5 Knoten über Grund. Molly machte das ohne Murren. Auch hier blieb Gitano schon nach kurzer Zeit deutlich im Kielwasser zurück. Nach gut einer Stunde Motoren merkte ich dass der Gegenstrom langsam weniger wurde. Ich konnte den Motor ausschalten und hielt eine Geschwindigkeit von 4 bis 5 Knoten. Das würde reichen, um pünktlich zum Schleusen im Hafen zu sein.
Zwei Meilen vor dem Hafen rief ich über UKW-Funk die Schleuse, hatte jedoch die falsche Frequenz eingestellt. Eine etwas mürrische Antwort machte mich darauf aufmerksam. Nach dem Wechsel auf die richtige Frequenz erfuhr ich, dass die Schleusung nicht um 15.30 Uhr sondern erst um 16.00 Uhr. Das gab Luft, noch weiter Wenden und Halsen zu fahren und dann pünktlich die Segel zu bergen und unter Motor in die Schleuse einzulaufen. Dabei begleitete uns die Wasserschutzpolizei, die freundlich grüßte, aber sonst kein größeres Interesse an uns zeigte. Muss ja auch nicht sein.
Das Schleusen selber dauerte etwas über eine Stunde. Warum? Keine Ahnung. Der Wasserstand war rasch ausgeglichen. Aber das Binnentor blieb zu. Wir machten uns schon Sorgen, dass die KW-Brücke nicht mehr aufmachen würde. Und als Gerd nach der Öffnung des Schleusentores beim Brückenwärter anrief, meinte der nur „Hebel auf den Tisch!“. Mit anderen Worten: „Mach hinne!“.
Das machten wir dann auch, denn auch wir wollten nun langsam am Liegeplatz festmachen. Witzig dabei war, dass unsere Brückendurchfahrt zufällig von jemandem gefilmt, und bei Facebook in die Gruppe „Wenn Du Wilhelmshaven kennst…“ gepostet wurde. So konnten wir unsere Ankunft abends noch einmal „von außen“ betrachten.
Ich bin unendlich froh, dass ich es nun doch noch geschafft habe, die Saison mit dieser einen Ausfahrt beschließen zu können. Und sie macht Mut für die kommende Saison. Schließlich sollen im kommenden Jahr deutlich mehr Meilen auf der Logge registriert werden. Das Wetter hielt, es gab trotz dicker, tief ziehender Wolken keinen Regen. Der Wind blies mit einer stetigen 4, manchmal etwas böig. Es war ein perfekter Tag. Ich bin glücklich. Nun kann der Krantermin kommen.